Corona-Krise: Wichtige Tipps bei Leistungsausfall auf Verträge und Bauablaufstörungen

Uns erreichen zahlreiche Anfragen zum Thema Leistungsausfall auf Verträge bzw. Bauablaufstörungen auf Baustellen aufgrund der Corona-Pandemie. Ralf Suhre, Geschäftsführer der SHK Innung München und Baurechtsexperte, hat im Folgenden die wichtigsten Fragen (aus juristischer Sicht) für Sie beantwortet.

Corona-Krise: Was sind die Folgen von Leistungsausfällen auf Verträge mit Kunden und Lieferanten?
Viele Betriebe berichten schon jetzt von Lieferengpässen bei Produkten und von erheblichem Personalausfall. Damit dürfte klar sein, dass Verpflichtungen aus bereits abgeschlossenen Bauverträgen nur mit enormen Verzögerungen erfüllt werden können.

  • Informieren Sie Ihre Vertragspartner unverzüglich über diese Situation.
  • Im Falle eines VOB-Vertrages sollte entsprechend Behinderung angezeigt werden.
  • Gleiches gilt aber auch für den Bauvertag nach BGB, auch wenn diesem die klassische Behinderungsanzeige erst einmal unbekannt ist.

Es ist nicht auszuschließen, dass es infolge einer zunehmenden Verbreitung des Virus auch in Handwerksbetrieben sowohl zu vorübergehenden Betriebsschließungen als auch zu Materialengpässen kommen kann. In diesen Fällen ist zu erwarten, dass vertragliche Leistungen nicht, wie geschuldet, erbracht werden können. Insbesondere kann es zu Verzögerungen und damit zivilrechtlich zum Verzug kommen. Jedoch setzt die Haftung für die Folgen eines Leistungsverzugs ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) voraus. Der Ausbruch einer Epidemie wird grundsätzlich als höhere Gewalt bewertet und kann durchaus das Verschulden des Leistungserbringers für Verzögerungen ausschließen. Jedoch verbietet sich eine pauschale Bewertung. Vielmehr kommt es auf die Umstände im Einzelfall an (siehe auch im Folgenden:

So sollte der Betrieb die empfohlenen Schutzvorkehrungen gegen eine Infektionsausbreitung befolgen. Anderenfalls ist der Vorwurf der fahrlässigen (Mit-)Verursachung einer Betriebsschließung nur schwer auszuräumen. Zudem dürfte ein Ausschluss des Verschuldens und damit der Haftung für etwaige Verzugsschäden beim Kunden nur für Fälle durchsetzbar sein, in denen der Vertragsschluss bereits vor Ausbruch der Epidemie erfolgt ist. Angesichts der Verbreitung des Virus sind eine betriebliche Betroffenheit nicht unwahrscheinlich, Leistungsausfälle gegebenenfalls vorhersehbar und der Verzug damit fahrlässig eingetreten. Für den möglichen Fall, dass ein Materiallieferant vorübergehend ausfällt, sollte zudem ein gewisser Materialbestand im Betrieb zumindest für die Erfüllung bestehender Verträge vorhanden sein.

Des Weiteren dürfen keine zusätzlichen verschuldensunabhängigen Leistungsversprechen, wie beispielsweise weitergehende Garantien oder verschuldensunabhängige Vertragsstrafen, vereinbart worden sein. Solche Vereinbarungen gelten eigenständig und der Qualifizierung der Epidemie als höhere Gewalt.

Sollte ein Handwerksbetrieb tatsächlich von einer durch den Corona-Virus bedingten eigenen Betriebsschließung oder der Betriebsschließung eines Lieferanten betroffen sein, ist stets zu empfehlen, Vertragspartner unverzüglich über die Situation zu informieren und gegebenenfalls neue zeitliche Leistungsziele zu vereinbaren. Bezüglich des Abschlusses neuer Verträge sollten verschuldensunabhängige Vertragsstrafen oder Garantien vermieden werden. Zudem sollten sich Handwerksbetriebe bei ihren Materiallieferanten über die Verfügbarkeit und die Produktionsherkunft des Materials informieren.

Konkret: Bauablaufstörungen auf Baustellen durch die Corona-Krise
Die sich ausbreitende Corona-Pandemie kann Auswirkungen auf die Bauabläufe haben. Zum vertragsrechtlichen Umgang mit Bauablaufstörungen ist Folgendes zu beachten:

Die Corona-Pandemie ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c VOB/B auszulösen. Höhere Gewalt ist ein unvorhersehbares, von außen einwirkendes Ereignis, das auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt wirtschaftlich vertretbar nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist.

Das Vorliegen dieser strengen Voraussetzungen kann auch in der jetzigen Ausnahmesituation nicht pauschal angenommen werden, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Grundsätzlich muss derjenige, der sich darauf beruft, die die höhere Gewalt begründenden Umstände darlegen und ggf. beweisen. Beruft sich der Auftragnehmer/Unternehmer also auf höhere Gewalt, müsste er darlegen, warum er seine Leistung nicht erbringen kann. Das kann z. B. der Fall sein, weil

  • ein Großteil der Beschäftigten behördenseitig unter Quarantäne gestellt ist und er auf dem Arbeitsmarkt oder durch Nachunternehmer keinen Ersatz finden kann,
  • seine Beschäftigten aufgrund von Reisebeschränkungen die Baustelle nicht erreichen können und kein Ersatz möglich ist,
  • er kein Baumaterial beschaffen kann.

Kostensteigerungen sind dabei nicht grundsätzlich unzumutbar!

Die Darlegungen des Auftragnehmers müssen das Vorliegen höherer Gewalt als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, ohne dass sämtliche Zweifel ausgeräumt sein müssen. Auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Bescheinigungen und Nachweisen ist mit Blick auf die Überlastung von Behörden und die stark reduzierte Geschäftstätigkeit der Privatwirtschaft Rücksicht zu nehmen. Dies bedeutet, die vom Auftragnehmer geforderten Darlegungen im Einzelfall mit Augenmaß, Pragmatismus und mit Blick auf die Gesamtsituation zu handhaben.

Der bloße Hinweis auf die Corona-Pandemie und eine rein vorsorgliche Arbeitseinstellung erfüllt den Tatbestand der höheren Gewalt aber nicht. Ebenso wird seitens der Auftraggeber wohl besonderes Augenmerk daraufgelegt werden, ob der Auftragnehmer schon bei der bisherigen Leistungserbringung Schwierigkeiten hatte und sich nun auf die Corona-Pandemie beruft.

Höhere Gewalt kann auch auf Seiten des Auftraggebers eintreten, beispielsweise, weil die Projektleitung unter Quarantäne gestellt wird. Dabei wäre dann – entsprechend der an die Auftragnehmer gestellten Anforderungen und nach denselben Maßstäben – zu dokumentieren, dass und warum die Projektleitung nicht aus dem Homeoffice erfolgen kann, oder dass und warum keine Vertretung organisiert werden kann.

Falls das Vorliegen höherer Gewalt im Einzelfall angenommen werden kann, verlängern sich Ausführungsfristen automatisch um die Dauer der Behinderung zzgl. eines angemessenen Zuschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten (§ 6 Abs. 4 VOB/B).

Beruft sich der Auftragnehmer nach den o. g. Maßstäben zu recht auf höhere Gewalt, entstehen gegen ihn keine Schadens- oder Entschädigungsansprüche.

Bei höherer Gewalt gerät auch der Auftraggeber nicht in Annahmeverzug; die Voraussetzungen des § 642 BGB liegen nicht vor. Das gilt insbesondere auch für Fallkonstellationen, in denen ein Vorgewerk aufgrund höherer Gewalt nicht rechtzeitig erbracht werden kann und nun das nachfolgende Gewerk deswegen Ansprüche wegen Behinderung gegen den Auftraggeber erhebt.

Muster zu Behinderungsanzeigen finden Sie hier.